Bernhard Welte – Brückenbau zwischen Theologie und Philosophie
Schlagwörter:
Thomas von Aquin, Jaspers, Heidegger, Phänomenologie, ReligionsphilosophieAbstract
Bernhard Welte wurde 1906 in Meßkirch am Bodensee geboren. In einem Rückblick auf seine Kindheit und Jugend beklagt er, dass seine katholisch geprägte Heimat nicht mehr in der ersehnten heilen Welt, sondern in einer durchaus defensiven Situation lebte. Der katholische Glaube wurde von der Neuscholastik beherrscht, die gegen die feindlichen Tendenzen der Zeit ankämpfte. Die intellektuelle Welt der Philosophie und der Wissenschaft stand seit der Aufklärung und der Säkularisierung im Widerspruch zum christlichen Glauben. Neben Welte gab es zwei Meßkircher, mit denen er bekannt war und die sehr berühmt werden sollten, nämlich den Philosophen Martin Heidegger und den späteren Freiburger Erzbischof Conrad Gröber. Die drei Meßkircher gingen jeweils unterschiedlich mit der beschriebenen Situation um. Das hat Bernhard Welte von Anfang an geschadet. Eine Lösung konnte vielleicht in Freiburg mit seinem hohen akademischen Anspruch gefunden werden. Dort fand er den aufgeschlossenen "Freiburger Kreis", der für die Fragen der Zeit offen war. In diesem Kreis fand er Forscher, die sich mit dem bedeutendsten Theologen des katholischen Glaubens, Thomas von Aquin, auf neue Weise auseinandersetzten, nämlich mit französischen Philosophen und Theologen, die ein neues Bild von Thomas schufen: kein Mann von starrsinnig konservativem Geist, sondern der versuchte, eine Brücke zwischen Glaube und Philosophie zu schlagen, auch wenn sie nicht lange hielt. Welte suchte diese Brücke für seine, eine neuere Zeit.
Er fand sie in seiner Habilitation über Thomas von Aquin und Karl Jaspers. Jaspers hatte vom "philosophischen Glauben" als dem Zentrum der Philosophie gesprochen. Jaspers war sozusagen der Botschafter der "Existenzphilosophie" der Nachkriegszeit. Das schien Weltes' Interesse ganz gut zu entsprechen. Ihn interessierte das Thema der "Existenz", die Philosophie des "Wesens des Menschen". Wenn Jaspers vom "philosophischen Glauben" sprach, sollte da nicht eine Brücke zum "religiösen Glauben" geschlagen werden? Die Studie von Welte erregte Aufsehen. Doch in einem Punkt konnte Welte Jaspers nicht zustimmen: Jaspers' Glaube zielte auf eine schwebende "Transzendenz" und war nicht durch die christliche Inkarnation zu gewinnen. Aber etwas blieb von diesem Vergleich zwischen Thomas und Jaspers übrig: die Methode, also die Methode der Phänomenologie. Freiburg war der Ort der neuen philosophischen Methode, nachdem Edmund Husserl mit Heidegger nach Freiburg gekommen war. Die Grundoperationen der Phänomenologie zu bestimmen und anzuwenden, blieb auch danach Weltes' besondere Aufgabe. Nach seiner Berufung auf den Lehrstuhl für Christliche Religionsphilosophie im Jahr 1952 verbreitete sich mit Welte der Name "Freiburger Religionsphänomenologie". Aber auch andernorts hatte die Religionsphänomenologie nach der Methode Husserls bereits Fuß gefasst und Welte schloss sich ihr an. Das Thema der Religionsphänomenologie war damals das "Heilige". Für Welte wurde es für Jahre zum Grundwort seines Denkens. Die Grundworte "Heil" und "heilig" waren aber nicht den Theologen vorbehalten; auch Heidegger und andere suchten das "Heil" des Daseins in der Philosophie des Seins. In den letzten Jahren war Welte daher im Gespräch mit Heidegger, um den Unterschied zwischen philosophischem Heil und christlichem "Heil" oder "Heiligem" und "Gott" herauszuarbeiten. Es sei an dieser Stelle an die Aussage von Levinas erinnert, die gegen Heidegger gerichtet war: "Erlösung ist nicht Sein". So ging Welte schließlich mit Heidegger den Weg durch alle Stufen des Seins: Gott ist nicht das Sein, Gott ist nicht das "Heilige", Gott ist nicht das Heilige, Gott ist vor allem und über allem: das Unbegreifliche, das "Licht im Nichts".
Literaturhinweise
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