Die Fragmente und Splitter der Vernunft
Von der Hoffnung auf Autonomie in Habermas’ Auch eine Geschichte der Philosophie
Schlagwörter:
Vernunft in der Geschichte; kollektive Autonomie; Glauben und Wissen; Lernprozesse.Abstract
In Auch eine Geschichte der Philosophie begibt sich Jürgen Habermas auf die Spuren der Vernunft in der Geschichte. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass es dem politischen Handeln eines Antriebs zur Selbstbestimmung ermangelt. Zugleich sei in der nachmetaphysischen Moderne der Rückgriff auf das religiöse Motiv rettender Gerechtigkeit versperrt. Dafür sucht Habermas in der Folge nach einem säkularen Äquivalent; und findet es in Lernprozessen, im Laufe derer rationale Standards in Deutungssysteme oder Institutionen eingegangen sind. Letzten Endes soll uns die derart sich zeigende Vernunft in der Geschichte dazu ermutigen, die soziale Ordnung autonom zu gestalten.
In dem vorliegenden Aufsatz entfalte ich diese politische Lesart von Habermas’ neuestem Werk. Dafür gehe ich in vier Schritten vor: In einem ersten Schritt ordne ich das Buch mit Blick auf Habermas’ kritische Verteidigung der Moderne ein. In einem zweiten Schritt erörtere ich dessen doppelte Frontstellung gegen den philosophischen Szientismus und gegen die entgleisende Modernisierung. In einem dritten Schritt arbeite ich den Leitfaden des Buchs heraus, der in einer steten Desozialisierung von Deutungssystemen besteht. In einem vierten Schritt verdeutliche ich Habermas’ inhaltliche Pointe – die säkulare Aneignung der Verheißung rettender Gerechtigkeit – und ziehe als abschließendes Fazit, dass heute der demokratische Rechtsstaat das besagte Motivationsdefizit ausgleichen soll.
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